Und wir fliegen doch!

Wir schreiben den Mai 2022. Die Welt erholt sich von beinahe anderthalb Jahren Isolation und Stillstand durch die Covid-Pandemie. Die meisten Länder finden mehr oder weniger schnell und gut in eine gewisse Normalität zurück. Wir machen uns daran, unser seit zwei Jahren pausiertes Vorhaben wieder aufzunehmen: Wir wollen nach Japan reisen, um dort unseren Haupturlaub für dieses Jahr zu verbringen. Wir können sowohl Flüge als auch Hotels buchen und recherchieren fleißig, welche Attraktionen und Aktivitäten in Japan nach so vielen Monaten ohne Publikum noch laufen. Unseren ersten Versuch hatten wir im Februar 2020 gestartet, völlig ahnungslos darüber, dass das soeben einfallende Corona-Virus solche Überlegungen mit einem schnellen Handstreich zunichte machen würde. Das heißt: Wir brennen darauf, im September dieses Jahres endlich eigenfüßig japanischen Boden zu betreten.
Ein wenig zu viel Optimismus?
Juni 2022: Über diverse Kanäle und mithilfe diverser Quellen beobachten wir wachsam die Entwicklungen in Hinsicht auf eine japanische Öffnung für ausländische Einreisende. Nachdem Geschäftsreisende und Studierende aus dem Ausland mittlerweile wieder Visa erhalten, scheint sich auch für Touristen etwas zu bewegen: Die japanische Regierung will einer monatlich begrenzten Anzahl an Touristen die Einreise gestatten, allerdings unter erhöhten Sicherheitsauflagen. So müssen sie sich einer geführten Reisegruppe anschließen, von einem in Japan registrierten Reiseunternehmen beim japanischen Gesundheitsministerium registriert werden und mit dem Nachweis darüber ein entsprechendes Visum beantragen — nur zur Erinnerung: Bis vor der Pandemie erhielten beispielsweise Einreisende aus Deutschland am Ankunftsflughafen in Japan ganz automatisch ein Visum, ohne zusätzliche Bürokratie. Nun muss das Reiseunternehmen vollständig für die Teilnehmer der Gruppenreise bürgen, die Reisenden müssen innerhalb von 72 Stunden vor Abflug einen PCR-Test durchführen lassen und den Nachweis über das negative Ergebnis bei der Einreise vorlegen.
Über die Gründe für Japans Zurückhaltung bei der Wiederöffnung der Grenzen haben wir in einem früheren Blog-Beitrag ausführlich spekuliert. Tatsächlich mehren sich auch in der internationalen Presse und in den sozialen Medien den Sommer über die symbolisch kopfschüttelnden Stimmen und bringen immer mehr Unverständnis darüber zum Ausdruck, teils emotional, teils faktenorientiert. Wir fragen uns erstmals, wieviel Hoffnung wir noch aufbringen dürfen. Die Zeit bis zum September schmilzt allmählich dahin ...
Die Wende und ein Salto rückwärts
August 2022: Die japanische Tourismus-Bilanz fällt verheerend aus. Gegenüber den in gewöhnlichen Jahren mehr als 30 Millionen Gästen aus aller Welt haben sich unter den strikten Covid-Vorgaben nur wenige zehntausend in das Land der aufgehenden Sonne getraut. Die mediale Stimmung tendiert in Richtung schlechter Laune, weshalb die japanische Regierung nicht einzusehen vermag, dass ein ganzer — und nicht eben kleiner — Wirtschaftszweig einzustürzen droht. Uns wird klar, dass wir einen Plan B brauchen, der am liebsten nur Ziele innerhalb der Europäischen Union umfasst. Noch ein wenig Sommer am Strand, ein wenig Städtetourismus — das erzeugt schon auch ein wenig Vorfreude auf unseren Urlaub, schmeckt trotzdem aber immer nur nach Trostpflaster. Ab dem 7. September sollen Touristen bei der Einreise nach Japan kein negatives PCR-Testergebnis mehr vorlegen müssen, heißt es zuletzt. Das lässt uns nicht darauf hoffen, dass bis zu unserem geplanten Abflugdatum auch noch die entscheidenden Hürden fallen: Reisen ohne Gruppe und ohne dauerhafte Begleitung durch einen Guide.
Die Nachricht erwischt uns in einem Moment, als wir gar nicht mehr mit Japan als Urlaubsziel rechnen: Ende August gibt der japanische Premierminister bekannt, dass — ebenfalls ab dem 7. September 2022 — tatsächlich die Pflicht zum Reisen in der Gruppe entfällt, ebenso die Notwendigkeit einer dauerhaften Tourbegleitung. Wir fackeln nicht lange und suchen uns umgehend ein in Japan registriertes Reiseunternehmen, denn ohne geht es immer noch nicht. Aber wir wollen lieber ein von uns mitgestaltetes Reiseprogramm durch ein Reiseunternehmen buchen lassen, als gar nicht nach Japan zu fliegen. Wir erhalten in diesem Zusammenhang eine äußerst wichtige Info: Entgegen der Behauptung mancher Youtuber ist es nicht zwingend erforderlich, dass das Reiseunternehmen auch die Flüge bucht. Das können die Reiseteilnehmenden auch selbst tun. Das Reiseunternehmen muss aber ab dem Moment der Einreise nach Japan mit den Reisenden in Kontakt stehen und jederzeit zwischen Touristen und Behörden einen Kontakt ermöglichen können. Wir können also unsere bereits gebuchten und noch nicht stornierten Flüge weiterhin verwenden und müssen nur die Unterkünfte vom Reiseunternehmen buchen lassen.
Doch wir haben die Rechnung ohne die Bürokratie gemacht. Nicht nur, dass bis zu unserem geplanten Abflugdatum ohnehin kaum mehr Zeit bleibt, unser Reiseprogramm zu buchen, uns von unserem Reiseunternehmen beim Gesundheitsministerium registrieren zu lassen, mit dieser Registrierung den Visums-Antrag zu stellen und mit einem püktlich ausgestellten Visum dann die Reise anzutreten. Ausgerechnet der letzte Werktag vor unserer Abreise, den wir für die Einhaltung der Visums-Bearbeitungsfrist dringend gebraucht hätten, ist ein japanischer Feiertag — keine Chance mehr, unser ursprüngliches Abflugdatum zu halten. Für die Tage danach sind sämtliche Flüge bereits ausgebucht ...
Ende gut, alles gut
Der Schock dringt tief ein, fesselt uns aber nicht lange. Die gute Nachricht lautet: Was im September ganz knapp nicht mehr geklappt hat, kann im Oktober aber trotzdem klappen. Denn ab jetzt sollte es tendenziell immer leichter werden, nach Japan zu reisen. Auch jetzt müssen wir die Bearbeitungsfrist für das Visum noch mit einrechnen, denn es ist für die nächsten Wochen nicht zu erwarten, dass Japan zum Vor-Covid-Zustand zurückkehrt und Einreisenden aus Deutschland bei der Ankunft ganz automatisch ein Visum in die Hand drückt. Aber je später das Jahr, desto erträglicher werden auch wieder die Flugpreise. Deshalb haben wir unsere Reise mittlerweile auf Oktober und November umgebucht. Drückt uns die Daumen, dass jetzt wirklich nichts mehr dazwischen kommt. Wir werden berichten. 終