Eiertanz an der Grenze
Mit einer nationalen Tourismus-Strategie hatte der vor kurzem ermordete Premierminister Shinzō Abe im Jahr 2013 einen wirtschaftlichen Wandel eingeläutet. Japan wollte Jahr für Jahr mehr Touristen ins Land locken. Das sollte durch drei Schwerpunkte gelingen: Erstens sollte massives Marketing rund um die Olympischen Spiele 2020 Japan als beliebtes Reiseland platzieren. Zweitens wurden die Visa-Bestimmungen überarbeitet, um Einreisen zu touristischen Zwecken zu erleichtern. Drittens und schließlich sollten die Regionen in Japan sich als professionelle Reise-Destinationen profilieren, die mit den Marktführern aus aller Welt mithalten könnten. Der Plan ging mehr als auf: Die bis zum Jahr 2020 zu erreichende Zahl von jährlich 20 Millionen Touristen knackte das Land bereits im Jahr 2015. Der Trend ließ zuletzt vermuten, im Jahr 2020 könnt Japan bereits 40 Millionen Gäste begrüßen; bis 2030 sollten es dann 60 Millionen werden. Doch dann kam Corona.
Widerstreitende Kräfte
Die starke Orientierung auf den Tourismus hatte freilich zur Folge, dass auch immer mehr Geschäfte in der Tourismus-Branche entstanden. Diese vermissen die Gäste derzeit schmerzlich. Starke Rabatte für Inlands-Touristen sollten die Branche in der Corona-Zeit unterstützen, konnten aber nicht viel ausrichten. Auch das Experiment mit beaufsichtigten, aber stark limitierten Gruppenreisen schlug fehl: Von den für Juni 2022 zugelassenen 20.000 Touristen kamen nicht einmal zwei Prozent. Wer mag schon Totalüberwachung im Urlaub?
Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, die es begrüßen, Touristen noch ein wenig länger draußen zu halten. Denn die seien für steigende Corona-Infektionszahlen verantwortlich, weil sie grundsätzlich ihre Masken nicht trügen. So stellt der Youtuber Senso-ji fest, dass immer mehr Japanerinnen und Japaner auch ohne Maskenpflicht wieder regelmäßig eine Maske tragen; ausländische Touristen könnten dazu aber nicht verpflichtet werden, weshalb sie zwangsläufig das Corona-Virus ins Land schleppten — diese Auffassung scheint insbesondere unter älteren Menschen in Japan Freunde zu finden. Japans Premierminister Fuimo Kishida trug nicht eben dazu bei, dieses Vorurteil zu zerstreuen, als er die ausländischen Touristen noch im Mai dazu aufrief, sich strikt an die Maskenregeln zu halten. Umgekehrt scheint manche Region die neue Stille für sich zu entdecken.
Der wahre Grund — wenn es ihn denn gibt
Seit Mitte Juli 2022 steigen die Infektionszahlen in Japan rapide, die Zahl der Intensivpatienten verdreifachte sich — alles ganz ohne ausländische Touristen. Das japanische Gesundheitssystem ächzt unter dieser Belastung, denn:
»There are many hospitals clinics with beds in Japan, though, the majority of them are privately owned. That means, levels of medical facilities and preparedness are all up to each hospital or clinic. Consequently, such variations in medical facilities makes it hard to align correspondence to a pandemic when a straightforward top to down system conducted by the government is required. Also, medical institutions need extra number of staff to treat COVID-19 patients, therefore, sometimes they are not able to accept COVID-19 patients because of labor shortage even though they have enough number of beds.«
Der Youtuber Mike Matsuno sieht hierin den wahre Grund dafür, dass Japan sich auch weiterhin verschlossen zeigt gegenüber ausländischen Touristen: Individualtourismus könne das japanische Gesundheitssystem in seinem aktuellen Zustand ganz automatisch unter großen Druck setzen. Ein zugelassenes Covid-Medikament könne das entschärfen, das sei aber nicht in Sicht.
Adé, schöne Reisepläne
Mike Matsuno vermutet auch, dass Japan seine Grenzen spätestens für den Mai 2023 wieder öffnen könnte, weil das Land dann den Vorsitz der G7-Konferenz innehabe und die größten Wirtschaftsnationen der Welt nach Hiroshima einlade, dem Heimatort des aktuellen Premierministers.
Unsere eigenen Reisepläne für September und Oktober 2022 lösen sich damit aktuell in Luft auf. Aufgrund weitgehend günstiger Storno-Bedingungen klammern wir uns auch noch an die letzten Strohhalme der Hoffnung und stehen kurzfristig bereit, die Reise doch noch anzutreten. So hat sich unser Check der tagesaktuellen Visa-Bedingungen längst als regelmäßiges Ritual etabliert. Doch wir richten uns auch langsam in der Vorstellung ein, unsere Füße zumindest nicht mehr in diesem Jahr in das Land der aufgehenden Sonne zu setzen. 2023 aber ganz bestimmt — wenn auch nicht im Mai; da wird es uns zu voll.
Disclaimer: Wir geben lediglich wieder, was unsere Recherchen an Informationen über die verschiedenen Facetten der Einreisebeschränkungen zutage fördern. Wir können nicht überprüfen, inwieweit die Aussagen zutreffen. 終