Popkultur Kultur

Von Antiheldinnen und Superkräften

Animes sind auch in Europa längst in der kulturellen Mitte angekommen. Was ich mit der Kunstform verbinde.

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Wer sich mit Japan beschäftigt, kommt an einem der Grundpfeiler der japanischen Popkultur nicht vorbei — falls das Interesse an Japan nicht sogar in Animes begründet ist ;-) Ich selbst gehöre zur ersten Generation derer, die den Siegeszug des Animes im deutschen Fernsehen miterlebt hat und damit aufgewachsen ist. Somit ist das Thema Anime für mich definitiv sehr fest mit meinem Interesse für Japan verknüpft und war einer der ausschlaggebenden Gründe, mich nun schon so lange mit diesem Thema zu beschäftigen. Nachdem ich eine lange Anime- und Manga-Pause in meinem Leben eingelegt hatte, reanimiere ich nun seit etwa einem Jahr mein Wissen und Interesse für diese Kunstform erneut.

Eine ganz eigene Welt

Der begriff ›Anime‹ ist mittlerweile auch in unserem alltäglichen Leben angekommen (das hätte ich mir vor 25 Jahren nicht träumen lassen). Für uns und den Rest der Welt ist mit diesem Begriff die Animationskunst in Fernsehserien und Filmformat aus Japan gemeint. In Japan versteht man unter Anime aber allgemein das Genre der Animationsfilme und -serien, ohne besonderen Bezug zu Japan. Einige Filmstudios lehnen diese Bezeichnung für ihre Werke sogar streng ab. Beispielsweise das Studio Ghibli bezeichnet seine Werke selbst dem ›manga eiga‹-Genre zugehörig. Diese Unterscheidung fußt auf der Entstehungsgeschichte des Animes, der bis heute stark umstritten ist, so wie auch beim Manga (dem anderen großen Pfeiler der japanischen Popkultur). Eine Theorie nennt den von 1907 bis 1012 entstandenen Katsudō Shashin Film als Mutter aller Animes aus Japan.

Was den Anime von westlichen Produktionen abgrenzt, ist unter anderem die tieferreichende Charaktergestaltung und -entwicklung. In der Kultur und Geschichte Japans begründete Tabus und normale Gepflogenheiten sind auch in Genres thematisiert, die für westliche Sehgewohnheiten ungewohnt sind, beispielsweise Mecha.

Keine Episode verpassen!

Ich erinnere mich, als ich damals immer ganz schnell von der schule nachhause wollte, um die nächste Folge meiner Lieblingsserie Sailor Moon auch ja nicht im Fernsehen zu verpassen: diese Geschichte von einer Antiheldin, die nicht der hellste Stern am Firmament war und trotzdem eine Superheldin sein konnte. Das Genre der Mädchen oder Frauen mit Zauberkräften hat auch erst durch das Meisterwerk von Naoko Takeuchi an Popularität gewonnen. Die Erzählweise und die andere Art der Wertevermittlung und der Themen, die angesprochen wurden in dieser Serie, haben für mich den unglaublichen Reiz ausgelöst. Es war sowohl im Zeichenstil als auch von den Themen her etwas für mich vollkommen Ungesehenes. Natürlich geht es in der Serie vornehmlich um typische Teenager-Themen wie Schule, Freunde und die erste Schwärmerei für einen Jungen. So wie auch in anderen Animes werden aber auch bei Sailor Moon kontroverse Themen wie beispielsweise Homosexualität angesprochen.

Die Fernsehsender mussten sich einiges einfallen lassen, sowohl in den USA als auch bei uns in Deutschland, um die Geschichte etwas anders zu erzählen, damit die Serie ohne größere Probleme ausgestrahlt werden konnte. Ich erinnere mich, damals in einer Zeitschrift gelesen zu haben, dass es Aufreger von besorgten Eltern gab, da bei den Verwandlungsszenen der Sailor-Kriegerinnen der Eindruck erweckt werden konnte, das hier Nacktszenen zu sehen sein könnten. Schon damals fand ich diese Sichtweise etwas zu konservativ und zugeknöpft. Das zeigt aber die Problematik der Japan-Interessierten der späten 90er Jahre.

Ernsthaft UND bezaubernd

Die Superheldinnen sind geblieben, aber meine Anime-Auswahl schwenkt mittlerweile auch mehr in die ernsthafteren Etagen des Film- und Serienregals — diese Eigenschaft liebe ich übrigens an der Kunstform noch zusätzlich: dass sie für alle Altersgruppen und Lebenswelten etwas bereithält. So habe ich erst vor kurzem zum allerersten Mal in meinem Leben Neo Genesis Evangelion bis zum Ende angeschaut und mich davon beeindrucken lassen, welche schweren Lebensthemen dort bearbeitet werden. Ansonsten lasse ich mich auch immer wieder gern von Prinzessin Kaguya oder meinen Nachbarn Totoro ;-)  verzaubern.

Je mehr Lebenserfahrung ich sammle, desto gespannter bin ich, was die Anime-Welt jetzt und in Zukunft noch für mich bereithält.

Dani

Sie schwingt für japanfuchs.de regelmäßig ihren Stift und zaubert Illustrationen, vom Charakter bis zur Szene. Daneben gibt sie praktische Tipps und teilt ihre langjährige Leidenschaft für Japan via Blogbeitrag.

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  • Dani

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    Seine Blogging-Erfahrung und sein Geographie-Studium machen ihn zum idealen Schreibtisch-Entdecker ferner Länder. Für die Texte auf japanfuchs.de scheinen seine Fingerkuppen beinahe schon mit der Tastatur zu verwachsen.